Exit Through the Giftshop (GB/USA 2010)

exit-through-the-gift-shopWer ist Banksy? Der berühmte britische Street-Art-Künstler macht aus seiner Identität ein großes und wohl behütetes Geheimnis. Immerhin bewegt sich die Platzierung seiner Werke im öffentlichen Raum meist in einer rechtlichen Grauzone. „Exit Through the Gift Shop“ ist ein Dokumentarfilm von Banksy und in Teilen auch über ihn. Doch der eigentliche Antrieb des Werkes ist der in die USA eingewanderte Franzose Thierry Guetta. Der trug seit Teenagertagen stets eine Videokamera mit sich herum und hielt sein Leben wie selbstverständlich auf Band fest. Bis er über seinen Cousin, den Straßenkünstler Space Invader, in die Welt der Guerilla-Künstler eingeführt wurde.

Thierry, der Anfang des neuen Jahrtausends mit einem Klamottenladen in Los Angeles gutes Geld verdiente, tauchte in die Szene ein und begleitete namhafte Akteure wie Shepard Fairey über Jahre auf verschiedenen Erdteilen bei ihren nächtlichen Streifzügen. Die Künstler akzeptierten den Filmemacher, der vorgab, eine Dokumentation über die Street-Art-Kultur drehen zu wollen. Schließlich sorgte der Familienvater dafür, dass ihre meist nur ein paar Tage unbeschadet im urbanen Raum ausgestellten Werke für die Nachwelt konserviert wurden. Zur größten Herausforderung aber sollte für den eigenwilligen Franzosen mit der schlechten englischen Aussprache der Kontakt zu Szenelegende Banksy werden.

Als die beiden bei einer Reise Banksys nach Amerika zufällig zueinander finden und Thierry die Erlaubnis erhält, den Künstler bei seiner Arbeit zu filmen, entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis. Durch seine vielbeachtete Ausstellung in Los Angeles („Barely Legal“, 2006) wird die Street-Art-Kultur plötzlich zum Massenphänomen und Kunstsammler reißen sich um die unangepassten Werke. Um den Menschen zu zeigen, was die Straßenkunst ausmacht, drängt Banksy Szenekenner Thierry, seine lang versprochene Dokumentation in Angriff zu nehmen. Doch „Life Remote Control“ gerät zu einer strukturlosen Bilderflut. Also nimmt Banksy die Sache selbst in die Hand, lässt sich Thierrys Bänder aushändigen und macht seinen eigenen Film – über Thierry.

Rund zwei Drittel des Films folgen dieser Ausrichtung. Die Vorstellung Thierrys ist zugleich der unverfälschte Blick in die Seele der Straßenkunst. Der Bruch folgt mit Medienhype und dem Diktat der Kommerzialisierung. Um Thierry beschäftigt zu halten, rät Banksy ihm, in Amerika selbst eine Ausstellung zu organisieren. Plötzlich fühlt sich der unermüdliche Franzose selbst zum Künstler berufen, nennt sich fortan Mr. Brainwash und stürzt sich in Schulden, um sich mittels geschickter PR selbst zum Shootingstar aufzubauschen. Diese Entwicklung weckt Skepsis. Sollte die Geschichte Thierrys etwa auch ein kreativer Geniestreich Banksys sein?

Der mit Feuereifer und ohne Erfahrung vom unbedarften Unbekannten zum gefeierten Star der Kunstszene emporsteigende Wirbelwind ist Realität. Nur formiert sich Banksys erzählerischer Ton zu einer ätzend satirischen Abrechnung mit der Kommerzialisierung der Straßenkunst. Als Mr. Brainwash recycled Thierry in einer gigantischen Ausstellung Street- und Pop-Art, zitiert Wahrhol und adaptiert mit kindlicher Begeisterung und einer beängstigenden Portion Größenwahn jede Idee, die ihm reizvoll erscheint. Mit viel Witz und narrativer Raffinesse richtet Banksy sein Regiedebüt an und gegen den Ausverkauf seiner Wurzeln. „Exit Through the Gift Shop“ ist neben dem Portrait eines sympathischen Wahnsinnigen ein brillanter, ungemein unterhaltsamer und zudem clever aufgezogener Blick auf die Mechanismen des Mainstream. Denn Kunst ist eben doch nicht gleich Kunst.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

 

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