Django Unchained (USA 2012)

django-unchained„How do you like the bounty hunting business?“ – Dr. King Schultz
„Kill white people and get paid for it? What’s not to like?“ – Django

Ein politischer Filmemacher war Quentin Tarantino nie. Seine Figuren sind durch hommagierend verquirlte Gepflogenheiten des B-Kinos geprägt. Für die Reflexion der ideologischen Wucherungen staatlicher Systeme blieb da bislang wenig Raum. Das änderte sich mit „Inglourious Basterds“, in dem Tarantino in die Geschichte eingriff und Hitler in einem französischen Kino von Kugeln durchlöchern ließ. Die Kraft der Fantasie ist eben stärker als die Realität. Mehr noch als in besagter Kriegs-Groteske zeigt sich dies in „Django Unchained“, mit dem der mittlerweile 49-jährige Oscar-Preisträger dem Spaghetti-Western Tribut zollt und zugleich die Sklaverei anprangert – mit den für ihn typisch radikalen Mitteln.

Die Handlung, und sei sie auch noch so verwunden ausgebreitet, ist schnell erzählt: 1858 befreit der deutsche Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) den Sklaven Django (Jamie Foxx, „Ray“), damit der ihm hilft drei gesuchte Verbrecher zu identifizieren. Die beiden werden Partner und begeben sich schließlich auf die Suche nach Djangos Frau Broomhilda (Kerry Washington, „Der letzte König von Schottland“), die sich in Besitz des sadistischen Plantagenbetreibers Candice Candy (Leonardo DiCaprio, „Inception“) befindet. Mit einer List erschleichen sie sich das Vertrauen des Unmenschen. Doch dessen Bediensteter Stephen (Samuel L. Jackson, „Pulp Fiction“) riecht den Braten.

Was sich in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt, schmückt Tarantino über fast 170 Minuten mit einer Fülle an Verweisen und Anspielungen. Dass diese, wie schon bei „Inglourious Basterds“, wieder deutlich subtiler und versteckter präsentiert werden, dürfte Filmliebhaber entzücken. Dem originalen „Django“ (1966) von Sergio Corbucci wird in der wohl vordergründigsten Referenz durch einen Kurzauftritt von Ur-Django Franco Nero Ehre erwiesen und auch die Beteiligung von Kult-Komponist Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“), dessen Oeuvre u.a. durch Zitationen der Soundtracks zu „Ein Fressen für die Geier“ und „Mein Name ist Nobody“ gewürdigt wird, bleibt eine leicht kenntliche Hommage.

Aber abseits von Anspielungen auf Werke wie „Leichen pflastern seinen Weg“, „Mandingo“ oder „Shaft“ orientiert sich das Skript kaum an der schier endlosen Fülle möglicher Genre-Variationen. Vor allem in der ersten Stunde wird, getragen vom sensationell aufspielenden und (vor allem im Original) sprachlich herrlich exaltierten Christoph Waltz, der für seine fulminante Performance in „Inglourious Basterds“ einen Oscar erhielt und auch für die zweite Zusammenarbeit mit Tarantino wieder für den wichtigsten Filmpreis der Welt nominiert wurde, ein herrlich absurdes und oft schreiend komisches Stück Kino geboten. Grenzen gibt es keine und das Blut spritzt nicht selten meterweit.

Die Besetzung ist schlicht famos und bis in die kleinsten Nebenrollen mit prominenten Gesichtern – darunter Don Stroud („Sinola“) und der gleich doppelt auftretende James Remar („Dexter“) – bestückt. Einer der komödiantischen Höhepunkte ist die von „Miami Vice“-Star Don Johnson geprägte und „Die Geburt einer Nation“ (1915) aufs Korn nehmende Verballhornung des Ku-Klux-Klans. Doch mit Auftreten von DiCaprios charmantem Finsterling ändert sich die Tonlage jäh. Zwar zeigt Tarantino die Gräuel der Sklaverei von Beginn an mit drastischer Offenheit, mit der schrittweisen Reduktion humoristischer Anflüge tritt allerdings die unmenschliche Fratze der weißen Herren in den Vordergrund.

Auf dem Weg zum comichaft überladenen Finale schleicht sich zwar ein Hauch von Langatmigkeit ein (ganz zu schweigen vom neuerlichen Beweis, dass Quentin Tarantino ein lausiger Schauspieler ist), als popkulturelles Panoptikum mit Anlehnung an Nibelungen-Sage und Schädelforschung begeistert „Django Unchained“ aber ebenso wie als exploitativ gefärbte Abrechnung mit der Sklavenhaltung in Amerika. Es ist vor allem diese in morbider Mordlust aufgelöste Verweigerungshaltung der USA, solch finstre historische Kapitel angemessen aufzuarbeiten, die dies schillernde Werk zu etwas ganz besonderem Machen. Angesichts dieses lustvoll übertriebenen Blickes ins Herz der Finsternis kann sich Steven Spielbergs „Lincoln“ warm anziehen!

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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