Die Kassierer – Kunst! 19 Künstler und sie selbst spielen Songs von Die Kassierer (2005, Teenage Rebel Records)

die-kassierer-kunstNennen wir das Kind doch beim Namen: Tribut-Sampler sind meist große Kacke. Dass ausgerechnet eine Kompilation diverser Interpreten, die sich an Stücken der berüchtigten KASSIERER – die mit den verbesserten Gehirnen – vergreifen, mit dieser unrühmlichen Tradition bricht, ist fast so unglaublich wie selbstverständlich. Zu erwarten war eine wenig rühmliche Aneinanderreihung bekannter Aso-Hymnen im Gewand etablierter Garagen-Combos. Natürlich kommen auch diese auf „Kunst!“ zu ihrem verdienten Recht – in Gestalt von EMSCHERKURVE 77 („Abschaum der Nacht“), PUNX ARMY („Das schlimmste ist wenn das Bier alle ist“), SS-KALIERT („Besoffen sein“), BRIGADE S. („Anus Apertus“) oder – na klar – die LOKALMATADORE („Mongo mit der Bongo“). Doch die Klasse dieser instrumentierten Hommage an eine der ungewöhnlichsten Bands des deutschen Musiksektors liegt weniger an jenen kalkuliert mittelprächtigen Huldigungen, als vielmehr am mannigfaltigen Überraschungsmoment des Albums.

Dieses erhält Gewicht durch Künstler wie die DONOTS („Ich töte meinen Nachbarn und verprügel seine Leiche“), Mambo Kurt („Großes Glied“) oder Gunter Gabriel („Du hast geguckt“), die eingeschworenem Unperfektionismus höchst eigenwillige Interpretationen zuteil werden lassen. Einen frühen Höhepunkt erklimmt die SONDASCHULE mit ihrer kongenial folkloristischen Version von „Das Leben ist ein Handschuh“. Unter dem Namen 2 FICKENDE HUNDE nehmen sich DIE ÄRZTE Bela B. und Rod samt Big Band die RAMMSTEIN-Verulke „Meister aller Fotzen“ – hier als „Meister aller Frauenärzte“ – vor. ALPHA BOY SCHOOL streichen „U.F.O.“ in zensierter Fassung mit Ska-Rhythmen an, HACK MACK JACKSON verleiht „Ich bin Jesus und kann alles“ eine Country-Panade und unter Susanna Keyes Federführung wird „Älterer Herr“ zum soulig poppigen Schmusehit.

Die mysteriösen KAMPFHUND GALACTICA unterlegen „Sex mit dem Sozialarbeiter“ mit progressiven Elektronik-Klängen und die PURPLE SEX HEADS „Kein Geld für Bier“ mit gelöster Gemütlichkeit. F.B.I treten experimentell die „Reise zur Sonne“ an, während die Komödianten Hennes Bender und Heinz-Peter Lengkeit das „Menschenkatapult“ veredeln. Selbst der HipHop kann die Einflüsse der KASSIERER nicht länger verleugnen und schickt TOO STRONG aus, ihrerseits die Versiegung des Bieres zu beklagen. „Kunst!“ ist sicher keine Scheibe mit uneingeschränkter Alltagstauglichkeit, mehr schon dem Titel entsprechend ein kreativ abwechslungsreicher Griff in die Gosse der deutschen Unterhaltungsmethodik. DIE KASSIERER sind Kunst, ihr Tribut vom Scheitel bis zur Sohle, von den Bands bis zum Booklet ein Gesamtkunstwerk. Die Gehuldigten selbst steuern auch zwei Stücke bei und widmen sich in „Bin ich oder hab ich?“ den essenziellen Fragen des menschlichen Seins. Beizeiten ist eben nicht das schlimmste, wenn das Bier alle ist, sondern die CD ein Ende findet.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

 

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