Die Insel der verlorenen Seelen (USA 1933)

island-of-lost-souls„…Not to spill blood, that is the law. Are we not men?“ – der Verkünder des Gesetzes

Dr. Moreau ist, neben Frankenstein, der wohl klassischste Mad Scientist aus Literatur und Film. Exemplarisch steht er für den Gott spielenden Wissenschaftler, der sich über die Naturgesetze erhebt und an den Folgen seines frevelhaften Handelns zugrunde geht. Die erste Verfilmung, die französische Produktion „L’île d’épouvante“, besorgte Joë Hamman bereits 1911. Ihr folgte zehn Jahre später Urban Gads „Die Insel der Verschollenen“. Hollywood zog erst 1933 nach und bereitete dem britischen Charakterdarsteller und späteren Oscar-Preisträger Charles Laughton („Das Privatleben Heinrichs VIII.“) die Bühne für eine Galavorstellung.

Ende des neunzehnten Jahrhunderts wird der schiffbrüchige Edward Parker (Richard Arlen, „Vier Federn“) vom Frachtschiff Covena aus dem Meer gefischt. An Bord befindet sich, neben dem verschlagenen Kapitän und der Crew, der Mediziner Montgomery (Arthur Hohl, „Der Glöckner von Notre Dame“), der eine Ladung Tiere verschiedenster Gattungen zu einem abgelegenen Eiland bringt. Dort herrscht, fernab der Zivilisation, jener Dr. Moreau, ein von Kollegen und Zeitungen einst geächteter Bio-Entropologe, der Tiere in quälenden Operationsreihen nach und nach in Menschen verwandelt.

Anfangs wecken qualvolle Schreie Parkers Skepsis. Sie dringen aus dem Haus des Schmerzes, wo sein belesener Gastgeber die verwerflichen Eingriffe an seinen Patienten vornimmt. Die aufreizende Pantherfrau Lota (Kathleen Burke, „Bengali“) soll Parker umgarnen, sich im blasphemischen Sexualakt gar mit ihm paaren. Doch auch die hartnäckigen Avancen verklären ihm nicht den Blick auf das in eisernen Gesetzen manifestierte Schreckensregiment, das Moreau mit Peitsche und Pistole aufrecht erhält. Die Sozietät der missgestalteten, ehemals animalischen Kreaturen kettet er an ein Dasein als Mensch. Nur lässt sich das tierische Wesen nicht einfach per Skalpell entfernen.

Als Verkünder des Gesetzes, den Schicksalsgenossen fortwährend das Regelwerk menschlichen Verhaltens predigend, findet sich auch „Dracula“-Star Bela Lugosi, verborgen hinter üppigem Gesichtsflaum. Mit der Ankunft von Parkers Verlobter Ruth Thomas (Leila Hyams, „Freaks“), die ihn eigentlich in der Hafenstadt Apia erwarten sollte, spitzt sich die Lage zu. Ihre Figur markiert die größte Abweichung von H.G. Wells populärem Roman, dem Regisseur Erle C. Kenton („Frankenstein kehrt wieder“) gerade zum Auftakt dieser ersten autorisierten Adaption erfreulich nahe kommt. Der weitere Verlauf jedoch simplifiziert die Dramaturgie. Darunter leiden insbesondere die Figuren.

Vor allem Moreaus Assistent Montgomery bleibt ein oberflächlicher Nebenprotagonist, der erst beim finalen Fluchtszenario seine Bestimmung erhält. Trotz der Drehbuchschwächen überzeugt die Umsetzung des Science Fiction-Klassikers durch atmosphärische Schwarz-Weiß-Bilder und aufwendige Masken, deren nostalgische Naivität von den Darstellern aber angenehm überspielt wird. Über allem thront jedoch Charles Laughton, der den wahnsinnigen Visionär zwischen Bildungsbürgertum und Despotismus mit diabolischer Ausstrahlung bestückt. Bereits er ist die Wiederentdeckung dieses nicht vollends gelungenen, jedoch stimmungsvoll inszenierten Grusel-Films wert.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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