Der Schrecken vom Amazonas (USA 1954)

der-schrecken-vom-amazonasJack Arnold – geboren am 14. Oktober 1916 in New Haven, Conneticut – zählt auch ein halbes Jahrhundert nach seinem Durchbruch zu den wegweisendsten Filmemachern seiner Generation. In den frühen 50er-Jahren gab Arnold – der seinen Werdegang als Darsteller am Broadway begründete – seinen Einstand als Regisseur mit den düsteren Kriminal-Dramen „With These Hands“, „Girls in the Night“ und „The Glass Web“.

Mit „Gefahr aus dem Weltall – It Came From Outer Space“ wagte der auf B-Movies geeichte Vielfilmer 1953 seinen ersten Ausflug ins Genre der Science-Fiction. Der Film verband auf bis dahin nie da gewesene Art fantastische Elemente mit intelligenter Unterhaltung. Dafür bürgte auch „Fahrenheit 451“-Autor Ray Bradbury, der maßgeblich an der Gestaltung des Skripts beteiligt war. „It Came From Outer Space“ wurde in 3-D gefilmt und bei seiner Uraufführung bewarf man das Publikum mit kleinen Kügelchen aus Styropor, um die bedrohliche Atmosphäre auch außerhalb des Leinwandgeschehens spürbar zu machen.

Nur ein Jahr später realisierte Jack Arnold den nächsten – und neben „Tarantula“ (1955) wohl bis heute beständigsten – Klassiker seiner Karriere, nämlich „Der Schrecken vom Amazonas – Creature From the Black Lagoon“. Mit der Figur des ‚Kiemenmannes’ beerbte er nicht nur Universals klassische Charaktere des Gruselfilms – von Frankensteins Monster über Dracula und der Mumie bis hin zum Wolfsmenschen –, sondern etablierte auch Komparsen in elastischen Gummianzügen als die wahren Mittler des Schreckens.

Eine Ausgrabung unter Leitung des Wissenschaftlers Carl Maia (Antonio Moreno, „Der Hauptmann von Kastilien“) entdeckt im Dschungel Südamerikas die versteinerte Klaue einer unbekannten Kreatur. Mit Hilfe seines ehemaligen Schülers, dem Meeresbiologen David Reed (Richard Carlson, „Gefahr aus dem Weltall“), dessen Verlobter Kay (Julie Adams, „Der Mann aus Alamo“) und ihrem Förderer Mark Williams (Richard Denning, „Einer schoss schneller“) trommelt Maia eine Expedition zusammen, um den Ursprung des sensationellen Fundes zu ergründen. Als die Gruppe auf dem Schiff des kauzigen Flussschippers Lucas (Nestor Paiva, „They Saved Hitler’s Brain“) zur Ausgrabungsstätte gelangt, finden sie zu ihrem Erschrecken die grausam zugerichteten Leichen von Maias Helfern vor. In festem Glauben, ein Jaguar habe die Männer getötet, werden die Ausgrabungen fortgesetzt.

Nach einer Woche des erfolglosen Suchens verlagern die Wissenschaftler ihr Augenmerk auf eine unweit gelegene Lagune, von den Eingeborenen ehrfürchtig ‚Black Lagoon’ genannt. Doch erweckt ihr eindringen den Unmut eines amphibienartigen Geschöpfes menschlicher Statur, das seinen Lebensraum durch die Fremdlinge bedroht sieht. Als man sich der Existenz des mysteriösen Fischmenschen gewahr wird, gibt es für Williams kein Halten mehr. Mit Gewalt versucht er das Wesen zu fangen, um es der Welt als lebenden Beweis darwinistischer Überlebensformeln zu präsentieren. Allerdings macht es der ‚Kiemenmann’ seinen Häschern nicht leicht. Vor allem, weil die attraktive Kay längst das emotionale Interesse des Monsters geweckt hat.

Neben dem von Gordon Douglas im gleichen Jahr produzierten Streifen „Them! – Formicula” stellt Jack Arnolds „Schrecken vom Amazonas“ einen der schönsten Schwarz-Weiß-Monsterfilme der Kinogeschichte, ein wegweisendes Creature-Feature aus der goldenen Ära der Universal Studios. Die virtuose Kameraarbeit, die sich in den Unterwasseraufnahmen zu beinahe dokumentarischer Pracht entfaltet, steht der überzeugenden Umsetzung des ‚Kiemenmannes’ in nichts nach. Allein die Szene, in welcher das Geschöpf anmutig unter der badenden Kay durch das Wasser der Lagune gleitet, gehört zu den betörendsten wie intensivsten Momenten des gesamten Genres.

Das Monster wurde von gleich zwei Stuntmen verkörpert, für die ihrem Einsatzgebiet entsprechend passende Anzüge angefertigt werden mussten. Der professionelle Schwimmer und Taucher Ricou Browning – der später für die James Bond-Abenteuer „Feuerball“ (1965) und „Sag niemals nie“ (1983) die Direktion der Unterwassersequenzen übernehmen sollte – spielte die Kreatur in den Szenen unterhalb der Wasseroberfläche, was aufgrund der Lichtverhältnisse einen helleren Anzug erforderlich machte. Außerhalb des kühlen Nass’ lieh Ben Chapman dem ‚Kiemenmann’ seine Statur in einem merklich dunkleren Kostüm.

Vor exotischer Kulisse erzählt Jack Arnold eine Geschichte von Leben und leben lassen. Der ‚Kiemenmann’ wird nicht als mordlüsternes Ungeheuer figuriert, sondern als in die Enge getriebenes Geschöpf, welches einzig sein Territorium verteidigt. Die simpel gestrickte Moral mag nach heutigen Gesichtspunkten ebenso antiquiert erscheinen wie die streng nach Schablone ausgeschnittenen Charaktere. Doch funktioniert „Creature From the Black Lagoon“ auch in der Moderne. Denn das wunderbar altmodische B-Movie vermag auch nach mehr als 50 Jahren noch mit stimmiger Atmosphäre und gediegener Spannung zu begeistern. Gehörigen Anteil daran haben die schier hysterischen Soundkompositionen, die sich, wann immer der Fischmensch in Teilen oder voller Gänze vor der Kamera auftaucht, in dramatische Höhen winden und als Vorboten des wohligen Grusels fungieren.

„Der Schrecken vom Amazonas“ ist naiver Kino-Genuss für Film-Nostalgiker; ein monumentales Rudiment aus einer Zeit, als das fantastische Kino seine Unschuld noch nicht an explodierende Budgets und computergenerierte Effekte verloren hatte. In den Jahren 1955 und 56 entstanden unter den Titeln „Die Rache des Ungeheuers – Revenge of the Creature“ und „Das Ungeheuer ist unter uns – The Creature Walks Among Us“ zwei qualitativ durchwachsene Fortsetzungen. Dank des erneuten Einsatzes von Jack Arnold hinter der Kamera überzeugt zumindest deren erstere, die in einer kurzen Sequenz – wie bereits „Tarantula“ – einen Blick auf den jungen Clint Eastwood gestattet.

Jack Arnold – der am 17. März 1992 in Woodland Hills, Kalifornien verstarb – bescherte der Filmwelt mit „Die unglaubliche Geschichte des Mister C – The Incredible Shrinking Man“ (1957) und „Die Maus, die brüllte – The Mouse That Roared“ (1959) weitere großartige Werke, bevor er sich mit Umwegen über die Welle des Blaxploitation („Black Eye“ (1974), „Boss Nigger“ (1975)) allmählich der Inszenierung von TV-Serien – darunter „Gilligan´s Insel“, „Love Boat“, „Ein Colt für alle Fälle“ und „Die Schöne und das Biest“ – zuwandte. Trotz alledem bleiben die Werke des legendären Billig-Filmers unvergessen. Und sei es auch nur, weil man derartige Tiefe und Sensibilität in B-Movies seit dieser Zeit vergebens sucht.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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