Deadpool (USA/CAN 2016)

deadpool„Well, I may be super, but I’m no hero.“ – Heldenhaft unheroisch: Deadpool

Wenn von Comic-Gewalt die Rede ist, sind im ursprünglichen Sinne klassische Cartoons im „Tom & Jerry“-Stil gemeint. Oder moderne Filme wie „Deadpool“. Brutalität liegt hüben wie drüben in der Natur der Sache. Nur wird sie derart grotesk übersteigert, dass man sie unmöglich ernst nehmen (oder nachahmen) kann. Der wenig heroische Superheld aus der Marvel-Schmiede bietet in Zeiten eines schieren Weltenretter-Überangebotes willkommene Abwechslung. Denn der rot maskierte Rächer schert sich bestenfalls bedingt um das Wohl anderer und feilt mit verspieltem Zynismus an der persönlichen Vendetta. Nebenbei löst er durch die wiederholte Adressierung des Publikums die vierte Wand auf und beschreitet die Metaebene, wenn er auf Verfilmungen verschiedener Comic-Kollegen anspielt.

Zurück geht Deadpool auf Rob Liefeld, der den spaßorientierten Anti-Superhelden 1991 erstmals als Randfigur auftreten ließ. Doch erst durch Autor Joe Kelly, der 1997 die erste eigene Comic-Serie des kostümierten Chaoten erdachte, etablierte sich die Figur als ironische Ergänzung zum „X-Men“-Universum. Einen ersten Leinwandauftritt absolvierte Deadpool in „X-Men Origins: Wolverine“. Gespielt wurde er seinerzeit von Ryan Reynolds, der durch den Flop „Green Lantern“ in der Gunst der Produzenten als erste Wahl für die Hauptrolle zunächst jedoch durchfiel. Schlussendlich ergatterte Reynolds die Rolle trotzdem – und läuft als vorlaute Parodie gängiger Heldenmuster zu Hochform auf.

Der ehemaliger Elitesoldat und urbane Söldner Wade Wilson (Reynolds) führt ein Leben jenseits gesellschaftlicher Konventionen. Dafür spricht auch seine Beziehung zur nicht minder exzentrischen Vanessa (Morena Baccarin, „Homeland“). Nachdem die beiden zu jedem nur erdenklichen Feier- und Gedenktag themenbezogen gevögelt und obendrein Hochzeitspläne geschmiedet haben, erhält er die niederschmetternde Diagnose: Krebs im Endstadium. Als alle Hoffnung schwindet, verheißt eine mysteriöse Organisation Heilung. Allerdings verfolgt der Wade in einem schummrigen Industriekomplex behandelnde Francis (Ed Skrein, „The Transporter Refueled“) keine noblen Absichten. Durch Folter sollen bei Todkranken potenzielle Mutationsfähigkeiten angeregt werden, um sie als gefügige Supersoldaten verkaufen zu können.

Klingt albern? Ist es auch. Die in verschachtelten Rückblenden ausgebreitete (Vor-)Geschichte ist nicht sonderlich originell… oder präsent. Sie bleibt mehr ein Mittel zum Zweck, eine Ansammlung von Stichwörtern, um Deadpool standesgemäß – und zugegeben oft genug wirklich witzig – über die Stränge schlagen zu lassen. Die rüde Behandlung aktiviert in Wade zwar Selbstheilungskräfte in Wolverine-Manier, beschert ihm aber zugleich ein entstelltes Äußeres. Statt zu Vanessa zurückzukehren, schlüpft er nach seiner Flucht ins rote Kostüm und macht sich daran, Francis aufzuspüren. In den Weg stellen sich ihm dabei zwei X-Men, der computeranimierte und nervig moralische Colossus sowie die junge Negasonic Teenage Warhead (Brianna Hildebrand).

Der Rest ist blutige Absurd-Action und Humor frei von Geschmacksgrenzen. Dafür steht neben Deadpool-Kumpel Weasel (T.J. Miller, „Silicon Valley“) vor allem die blinde Al (Leslie Uggams, „Roots“), die als WG-Genossin des schießfreudigen Rüpels Ziel diverser Furz-, Masturbations- und Ikea-Witze bildet. Das Rezept geht insgesamt auf, selbst wenn Story, Showdown und vor allem das Gros der Nebenfiguren herzlich wenig hermachen. Nicht zuletzt das clevere Marketing bescherte dem von Tim Miller gedrehten „Deadpool“ dennoch den besten Start eines Films mit Erwachsenenfreigabe in der Geschichte des US-Kinos. Neu ist die augenzwinkernde Variierung bewährter Superhelden-Klischees allerdings nicht, wie bereits „Kick-Ass“ beweist. Doch hat Deadpool einen mehr als respektablen Einstand absolviert. Auf seine Rückkehr werden wir wohl nicht allzu lange warten müssen.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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