Das Hausmädchen (ROK 2010)

das-hausmaedchen-2010In Hollywood ist die Modernisierung klassischer Filmstoffe Gang und Gäbe. Nicht selten ergeben Neuverfilmungen für junge Generationen Sinn, schließlich haben sich Perspektiven und nicht zuletzt gesellschaftliche Dogmen über die Jahre stark verändert. Ein Land, das bislang eher weniger durch solche Remakes auffiel, ist Südkorea. Dort wurden zwar eigenwillige Adaptionen der Klassiker „The Good, the Bad and the Ugly“ sowie „Blood Simple“ auf den Weg gebracht, in der Hauptsache aber besticht die dortige Kinolandschaft durch Produktionen, die vor allem in Amerika den Drang eigener Variationen beflügeln. Werke wie „Oldboy“, „The Host“ oder „The Chaser“ belegen dies.

Allerdings haben die geplanten US-Remakes nichts mit der Aufbereitung des eigenen cineastischen Kulturguts zu tun, sondern entsprechen einzig dem Hang, fremde Geschichten gewinnbringend für den eigenen Markt zu adaptieren. Die eingangs erwähnte Anpassung berühmter Werke an den veränderten soziopolitischen Charakter der Gegenwart wurde 2010 von Sang-soo Im („An Old Garden“) praktiziert, der den 1960 gedrehten und – unterstützt von Martin Scorsese – 2007 digital restaurierten Klassiker „Hanyo“ („The Housemaid“) in die Moderne übertrug. In vorzüglicher Bildsprache, bei der die anfänglichen Handkameraschwenks bald streng durchkomponierten Einstellungen weichen, visualisiert der Regisseur Beziehungsgeflechte und verborgene Sehnsüchte.

Wo das Proletariat die Oberschicht in Gestalt eines Hausmädchens einst in Schrecken versetzte und Versuchung führte, ist es in der Neuauflage die egozentrierte Dekadenz der Elite, die in ihrem erhabenen und von der Außenwelt isolierten Lebensbild kein Mitgefühl für das minder privilegierte Bürgertum aufzubringen vermag. Schmerzlich erfahren muss dies die introvertierte Eun-yi (Do-yeon Jeon, „Secret Sunshine“), die sich als Küchenhilfe verdingt, bis sie als Haushaltshilfe ins Anwesen von Hoon (Jeong-jae Lee, „Typhoon“) und seiner schwangeren Frau Hae-ra (Seo Woo) einzieht. Von der erfahrenen Wirtschafterin Byung-sik (Yeo-jeong Yoon, „The President’s Last Bang“) wird sie in die Pflichten der Dienerschaft eingeführt und freundet sich bald mit der kleinen Tochter der Hausherren an.

Die unreflektierte Bewunderung für den Prunk und das Leben in Luxus aber hat für Eun-yi einen hohen Preis. Denn der kultivierte und athletische Hoon ist gewohnt, sich zu nehmen was er begehrt. Unverblümt beginnt er eine Affäre mit dem naiven Hausmädchen, was Byung-sik nicht verborgen bleibt. Als aus dem Seitensprung eine Schwangerschaft resultiert und Hoons Schwiegermutter (Ji-yeong Park, „Portrait of a Gangster“) davon erfährt, beginnt für Eun-yi eine Zeit des Leidens. Die Hoffnung, die gesellschaftliche Kluft überwinden und selbst Teil der schillernden Welt ihrer Arbeitgeber werden zu können, mündet für die junge Frau in Erniedrigung und Verachtung.

„Das Hausmädchen“ ist ein subtil satirisches und kühl erotisches Drama, bei dem die sehenswerten Akteure fast eine Spur zu zurückhaltend agieren. Zur großen Stärke wird dies erst im destruktiven Racheakt Eun-yis, die der emotional verkümmerten Familie die Konsequenzen ihres Handelns vorführt. Die mangelnde Empathie dieses Entwurfs sozialer Kälte spiegelt sich auch im einleitenden, vom angehenden Hausmädchen neugierig beobachteten Suizid wieder. Allerdings ist die später angeprangerte emotionslose Boheme doch zu weit vom bürgerlichen Milieu des einleitend gezeigten Großstadtlebens entfernt, um als grundlegendes Statement zur Lage des sozialen Miteinanders tatsächlich Relevanz zu entwickeln. Ein sehenswerter, kunstvoll entwickelter Film mit dramaturgischen Schwächen.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

 

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