Away We Go – Auf nach Irgendwo (USA/GB 2009)

away-we-go„I think we might be fuck-ups.“ – Verona

Der Heimatlosigkeit entfliehen. Aber wohin? Für Burt Farlander (John Krasinski, „The Office“) und Verona De Tessant (Maya Rudolph, „Idiocracy“) eine schwierige Frage. Die amüsante Eingangssequenz gibt die Richtung vor. Zumindest die der Tonalität. Beide liegen im Bett, er macht sich unter der Decke an ihrem Schambereich zu schaffen. Da fällt ihm ein ungewohnter Geschmack auf, der nach kurzer Ausführung über die weibliche Entwicklung einen Schluss nahe legt… Und mitten im Satz in einen abrupten Umschnitt in den Schwangerschaftsalltag mündet.

Mit der wunderbaren Komödie „Away We Go“ kehrt Sam Mendes („Revolutionary Road“) dem Starrummel den Rücken. Die Schauspieler sind international relativ unbekannt und sympathisch weit von physischer Makellosigkeit und einschlägigen Schönheitsidealen entfernt. Echte Menschen spielen echte Menschen. Den daraus resultierenden Glaubwürdigkeitsvorsprung bewahrt der für „American Beauty“ Oscar-gekürte Regisseur bis zum Ende. Dass die Charaktere (oder Burts zur Förderung des Babyherzschlags über Verona ausgeschüttete Verunglimpfungen) bisweilen überzogen wirken, stört nicht. Der bittersüße Kern – und mit ihm die Suche nach Heimat und Zugehörigkeit – scheint schlicht unumstößlich.

Der Drang des Tapetenwechsels folgt nach dem Besuch seiner Eltern, gespielt von Jeff Daniels („Good Night, and Good Luck“) und Catherine O’Hara („Penelope“). Die freuen sich zwar auf den Nachwuchs, sind aber viel zu sehr auf ihre Pläne fokussiert, noch vor der Geburt des Enkelkindes nach Europa auszuwandern. Frustriert suchen Burt und Verona nach einem Ausweg und lassen im Stich, bevor sie selbst im Stich gelassen werden. Prävention zum Selbstschutz. Also klappert das Paar verschiedene Stationen in den USA und Kanada ab, besucht Verwandte und alte Freunde, stets in der Hoffnung, irgendwo die nötige Geborgenheit zu finden.

Um die aber ist es nicht gerade gut bestellt. In Phoenix offenbart Veronas Ex-Chefin Lily (Allison Janney, „Juno“) im Umgang mit den Kindern soziopathische Nuancen, bei Burts Hippie-hafter Cousine Ellen (Maggie Gyllenhaal, „Stranger Than Fiction“) werden sie in Madison gar mit den schadhaften Auswüchsen alternativer Erziehung konfrontiert. Aber auch bei Studienfreunden in Montreal oder Veronas Bruder in Miami stellt sich nie ein Gefühl von Heimat ein. Bei allen skurril situationskomischen Anflügen bleibt „Away We Go“ ein Film der leisen Töne. Die Nähe zum Independent erlaubt die Aufhebung der klassischen narrativen Struktur, die vom Start weg ein festes Ziel vor Augen hat. Am Ende sind Burt und Verona zwar im Irgendwo angekommen, deshalb aber nicht weniger auf sich allein gestellt. Ein kunstvoll fotografiertes und einfach erfrischend lockeres Filmjuwel.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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