As Tears Go By (HK 1988)

as-tears-go-byWong Kar-Wai ist, neben Chen Kaige, der wohl berühmteste Autorenfilmer Chinas. 1958 in Shanghai geboren und aufgewachsen in Hongkong, führte sein Weg ins Filmgeschäft über die Schreibfabriken der ehemaligen Kronkolonie, in denen er bereits Mitte der achtziger Jahre Drehbücher für diverse Kinofilme – darunter „The Intellectual Trio“ (1984) und „Flaming Brothers“ (1987) – schrieb. Den Anstoß einer Weltkarriere gab das an Martin Scorseses Frühwerk „Hexenkessel“ (1973) angelehnte Gangster-Drama „As Tears Go By“. Wong Kar-Wais Regiedebüt enthält im Ansatz bereits jene essenziellen Stilmittel, die das Oeuvre des gefeierten Auteurs maßgeblich prägen sollten: Disfunktionale Charaktere, eine tragische Liebesgeschichte, der klaustrophobische Großstadtdschungel und periphere Gewaltexplosionen, inszeniert als nebulöse Schwade verzerrten Realismus.

Im Zentrum der Erzählung steht Ah Wah (Andy Lau, „Fulltime Killer“), Geldeintreiber im Dienste des organisierten Verbrechens. Seinem „kleinen Bruder“ Fly (Jacky Cheung, „Bullet in the Head“) genügt das Dasein als Handlanger nicht, er will Respekt. Sein aufbrausendes Temperament verstrickt ihn wiederholt in Konflikte, aus denen ihn Ah Wah befreit – zumeist mit Gewalt. Ngor (Maggie Cheung, „Hero“) ist Wahs Cousine. Von der Provinz reist sie in die Großstadt, um sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Bei ihrem Cousin erhält sie Quartier, und obwohl sie das blutige Milieu verschreckt, kommen sie und Wah sich näher. Als er sich durch ihre Beziehung aus dem kriminellen Moloch zu lösen beginnt, stürzt ihn die Loyalität zu Fly ins Verderben.

Mit dem klassischen ´Heroic Bloodshed´ eines John Woo („A Better Tomorrow“) hat „As Tears Go By“ wenig gemein. Parallelen zeigen sich zu Ringo Lam („City on Fire“), mit dem Wong Kar-Wai („Chungking Express“) die nüchterne Distanz zu den Figuren teilt, die authentische Charakterzeichnung ohne ausgestellte Gefühlswelten. Diese ungeschönte Betrachtungsweise verleiht dem Film eine ungeschliffene Intensität. Ohne verklärenden Kitsch treiben die Protagonisten, dem Schicksal scheinbar hilflos ausgeliefert, einem bitteren Finale entgegen. In Kontrast zur rauen Ästhetik der Bilder – hier noch geliefert von Wai Keung Lau („Infernal Affairs“) – steht der theatralische Soundtrack, der sich in der Form des „Top Gun“-Hits „Take My Breath Away“ wiederholt über spezifische Szenenfolgen legt. „As Tears Go By“ ist ein beachtlicher Debütfilm. Zwar sollte Wong Kar-Wai erst in der Zusammenarbeit mit Kameramann Christopher Doyle seinen Stil festigen, die wesentlichen Züge seines Gesamtwerks lassen sich aber bereits hier erkennen.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

 

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