Almanya – Willkommen in Deutschland (D 2011)

almanyaEs gibt gewisse Adjektive im Wortschatz eines Filmrezensenten, die es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt. Zu diesen zählen die leicht abgeschmackten und in diesem Zusammenhang oft banal behafteten Begriffe „schön“ und „toll“. Aber es gibt Werke, auf die gerade diese Bezeichnungen so exakt zutreffen, das die Suche nach weniger inflationären Synonymen geradewegs überflüssig erscheint. Zu dieser Kategorie zählt „Almanya – Willkommen in Deutschland“, eine versöhnliche und einfallsreich inszenierte Komödie um türkische Einwanderer, kulturelle Wurzeln und die Integration in der Fremde. Allerdings wird dies letztgenannte Leib- und Magenthema politischer Eliten durchgängig unkritisch betrachtet.

Der von Yasemin Samdereli („Alles getürkt!“) gedrehte und mit Schwester Nesrin auch geschriebene Familienschwank widmet sich in 96 leichtfüßigen Minuten der Geschichte des türkischen Gastarbeiters Hüseyin (Vedat Erincin, „Takiye – In Gottes Namen“ / in junger Variante gespielt von Fahri Ögün Yardim, „Männerherzen“), der während des Wirtschaftswunders nach Deutschland kommt, um seine Familie versorgen zu können. Die mit den drei Kindern in der ruralen Heimat verbliebene Frau Fatma (Lilay Huser, „Türkisch für Anfänger“ / Demet Gül) holt das als Bauarbeiter in einer nicht näher spezifizierten deutschen Großstadt arbeitende Familienoberhaupt bald nach.

Der Weg zum Deutschsein ist aber nicht allein aufgrund der sprachlichen Barriere ein beschwerlicher. Schließlich essen die Christen im Land, in dem statt Milch und Honig vor allem Coca Cola fließt, regelmäßig das Fleisch ihres Erlösers. In vergnüglichen Rückblenden werden Kulturschocks und Anpassungsbemühungen aufgezeigt, die Hüseyins Nichte Canan (Aylin Tezel, „Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung“) in der Gegenwart dem kleinen Cousin erläutert. Die Eltern, mittlerweile im Rentenalter, lassen sich einbürgern und diskutieren mit Kindern und Kindeskindern über Herkunft und staatliche Zugehörigkeit. Für Gesprächsstoff sorgt aber vor allem das von Hüseyin in der Türkei gekaufte Grundstück.

Dorthin plant er mit der gesamten Verwandtschaft einen Urlaub, bei dem Canans ungewollte Schwangerschaft noch der nichtigste Anlass für Aufregung bildet. Die episodische Familienhistorie überspielt dramatische und vor allem kritische Aspekte mit Momenten erhabener Situationskomik und gelungenen Einfällen. So wird Deutsch zur Sprache der Einwanderer, während die eigentlichen Deutschen (als „Gastarbeiter“ konnten u.a. Walter Sittler und Axel Milberg gewonnen werden) ein skandinavisch anmutendes Kauderwelsch absondern. Unterm Strich ist das politisch nur allzu korrekt und zudem ohne Ecken und Kanten, aber eben schön erzählt und einfach toll gespielt. Fürs hiesige Kino jedenfalls ist diese türkisch geprägte Sicht auf Deutschland eine echte Bereicherung.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

scroll to top