28.02.2004 – Sick Of It All / Most Precious Blood / Bleeding Through – Berlin, SO 36

Wenn der umtriebige New Yorker Hardcore-Dinosaurier SICK OF IT ALL zwecks Europatournee auch deutsche Städte abklappert, so sind für gewöhnlich zweierlei Umstände garantiert: ein ausgewogenes Vorprogramm, sichtliche Spielfreude und ein grandioses Set! Dass die Opener-Fformationen an diesem Abend im rappelvollen Berliner SO 36 jenem hochgeschätzten Abwechslungsreichtum nicht gerecht wurden, erschütterte die bereits vorab herrschende Stimmung jedoch nicht im geringsten, wurde der restlos ausverkaufte Club doch gesäumt von glatzköpfigen Kleiderschränken und unzähligen SOIA-Shirts aus sämtlichen Epochen der bandeigenen Historie. Das Durchschnittsalter des Pulks mag gut und gern bei 27 gelegen haben, was zumindest eine gewisse Ehrfurcht vor solchen Mitmenschen injizierte, die drei Köpfe aus der Menge herausragten und deren Stiernacken gewissentlich die Ausmaße von Autobahnauffahrten aufwiesen.

In dieses prächtige Panoptikum tollwütiger Hunde und alkoholisierter Erdenbürger fügten sich denn auch makellos die beiden Vorbands BLEEDING THROUGH und MOST PRECIOUS BLOOD ein. Während sich erstere durch ansprechenden Metal-Hardcore der Kategorie CALIBAN auszeichnete, verdingte sich das Flaggschiff der Letztgenannten an der Front des archetypischen Ostküsten-Hardcores und lag damit in der Gunst des zwischen Ingrimm und ergötzlicher Freude schwankenden Publikums ein gehöriges Stück vor BLEEDING THROUGH. Aber wie so häufig rückte das Auftauchen des Leitwolfes auch in diesem Falle alles zuvor aufgetischte in die Regionen der Vergessenheit, versprühten SICK OF IT ALL doch von Beginn an die gewohnt souveräne Geborgenheit einer Band, der man auch nach 17 Jahren noch den Spaß an der Musik jenseits jedweden Zweifels abnimmt. Und ohne an dieser Stelle den inflationären Begriff der Authentizität strapazieren zu wollen, SICK OF IT ALL reißen ihre Anhängerschaft fernab jeglicher Selbstinszenierung auch im Jahre 2004 mit unerschöpflicher Freundlichkeit, offener Ehrlichkeit und sympathischer Bodenständigkeit, gepaart mit tosenden Songorkanen und dem unglaublich gehaltvollen Organ Lou Kollers unverzüglich mit.

Jener ließ sich seine stets eingeworfenen Zwischenspiele mit dem tobendem Mob in Front auch an diesem hitzigen Freitagabend nicht nehmen und zog mit seiner verschmitzten Spitzbübigkeit den gesamten Raum in seinen Bann. Musikalisch orientierte sich der Vierer aus New York mehrheitlich an den früheren Tagen seines Schaffens, schloss in diesem Kreise aber auch immer wieder Songs des aktuellen Longplayers „Life On the Ropes“ mit ein, wobei besonders „Paper Tiger“ und „For Now“ hervorzuheben wären. So erbrachten SOIA bei guter Akustik einmal mehr den unverlangten Beweis ihrer Livepräsenz und straften all jene Zweifler Lügen, die ihren seinerzeit vollzogenen wechsel zu Fat Wreck als Ende einer Ära werteten. Denn diesen Werdegang soll den Jungs erst einmal jemand nachmachen! Und war es auch kein überragender Auftritt dieser famosen Hardcore-Institution, so doch zumindest der hochkarätige Konzertabend einer immer lohnenswerten wie energiegeladenen Liveband. Bis zum nächsten Male also auf den Spielwiesen dieser Welt, in alter Frische und bewährter Manier…

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