27.11.2009 – Kafkas / Maison Derriére – Hamburg, Astra Stube

Polonaise statt Circle Pit: Ein Konzert der KAFKAS ist alles, nur nicht vorhersehbar. Die Fuldaer stehen seit jeher für verspielten Punk-Rock ohne Parolen und Attitüden, dafür aber mit New Wave- und Ska-Anleihen. Ihr Gastspiel in der kleinen Hamburger Astra Stube geriet trotz üppiger Verspätung und einem Ende weit nach 2 Uhr nachts zur großen Sause. Sänger Markus schien schon vom Start weg so besoffen, dass er um den Mikroständer herumtaumelte und auch sonst nicht die standfesteste Figur abgab. Gesanglich hingegen lief alles nach Maß und auch die geschätzt 50 Zuschauer ließen sich von Musik und Alkoholismus gern mitreißen.

Den hervorragenden Anfang bespielten die Hamburger von MAISON DERRIÉRE, die, als noch offen schien, ob die KAFKAS überhaupt ans Ziel finden würden, die Fahne des sich ankündigenden Spektakels in die Höhe reckten. Das Trio bot bereits beim Soundcheck eine vielversprechende Performance und wusste, als sich Hauptband und Konzertbeginn endlich am Horizont abzeichneten, restlos für sich einzunehmen. Punk und Post-Hardcore, knallige Vorstöße und komplexe Melodien gingen Hand in Hand und wurden durch den kraftvollen weiblichen Gesang (in deutscher Sprache) trefflich gestützt.

Es scheint müßig, auf den Reiz des Unbekannten, den der kleinen Bands hinzuweisen. Und dennoch sollte Künstlern wie MAISON DERRIÉRE unbedingt der Rücken gestärkt werden. Das zeigte sich auch an der Reaktion des Publikums – selbst wenn sie ihre eigene Anhängerschaft gleich mitgebracht hatten. Ohne die ging es dann bereits nach Mitternacht mit den KAFKAS weiter. Markus musste noch ausgerufen werden, packte sich den Hochprozentigen und läutete sichtlich gut gelaunt ein ereignisreiches Set ein. Neben Hits wie „Lebensrezeptur“, „Klatscht in die Hände“, „Vegetarier können nicht tanzen“, „Schwule Punks“ oder „Irgendwas ging schief“ wurde schließlich auch zu allerlei Schabernack ausgeholt.

So hüllte sich der Frontmann in die Garderobe diverser Zuschauer, verordnete eine Polonaise und wurde nicht müde, dem ach so freundlichen Bremer (!) Publikum zu danken – oder natürlich auf die mangelnde Qualität seiner Band hinzuweisen. Zu vorgerückter Stunde durfte der sturzbetrunkenste Anwesende an den Drums Platz nehmen und über eine halbe Ewigkeit eine improvisierte Nummer über den „Schlagzeugott“ begleiten. Ob solcher Possen wurde es ein herrlich absurdes und unbekümmertes Konzert vor ausgelassener Kulisse. Tot ist der Punk damit bestimmt nicht, höchstens hoffnungslos verkatert. Aber solange er seinen Sinn für Humor (und Ausschweifung) nicht verliert, muss sich auch niemand ernsthaft Sorgen machen!

scroll to top