27.06.2006 – Ignite / With Honor / Convict – Berlin SO36

ignite-tour-2006„Schönlinge“ sprach es hier, „Mädchen-Hardcore“ wisperte es dort. Keine optimalen Voraussetzungen für eine Band, sich beim Publikum Respekt zu verschaffen. Hört diese Band aber auf den Namen IGNITE, decken selbst vermeintlich abwertende Einschätzungen einzig deren positive Aspekte ab. Die Kalifornier stellten auf ihrer jüngsten Tour das aktuelle Album „Our Darkest Days“ vor und lockten trotz Hauptstadtlethargie und Fußballweltmeisterschaft gut 500 Besucher ins Berliner SO 36. Natürlich musste die betrunken von fußballerischer Euphorie belassene Bevölkerung auch während live dargebotener Musik nicht auf die Übertragung der Partie Spanien gegen Frankreich verzichten. Dafür sorgte die Leinwand über der Theke, der sich während des gesamten Abends denn auch ein festes Grüppchen zuwenden sollte.

Die beiden Vorbands CONVICT und WITH HONOR hatten ihr Tagewerk bereits verrichtet, als mich der Abend in den Konzertsaal spülte. WITH HONOR gönnten mir zumindest noch den Eindruck ihrer letzten beiden Songs: Old-School-Hardcore trifft Punk-Rock – eine in ihrer flüchtigen Wahrnehmung runde Mischung. CONVICT aus Belgien mussten dem Hörensagen nach einen denkbar schlechten Stand vertreten haben. Als erster Opener vor annähernd leerem Hause zu spielen und dann noch auf die Rückenpartien des Publikums schauen zu müssen, welches sich lieber der Fußballübertragung zuwandte, erscheint kaum wie der Inbegriff traumwandlerischen Erlebniszuwachses.

Für einen solchen aber sorgten IGNITE. Im Vorfeld wurde WITH HONOR gern als heimlicher Headliner gepriesen. Nach gut 70 Minuten IGNITE dürfte auch dem letzten Zweifler vor Augen geführt worden sein, dass Wunsch und Wirklichkeit mitunter weit auseinander liegen. Eine überzeugendere Vorstellung als die von Sänger Zoli Teglas und seinen Mitstreitern ist mir persönlich lange nicht vor Augen geführt worden. Vor allem in Berlin. Natürlich pflegen die Jungs eine gesunde Attitüde. Natürlich vergisst Zoli bei der unnatürlich abgewinkelten Haltung seines Mikrofonarms nicht, die Muskeln anzuspannen. Ist ja auch schön, so ein gestählter Bizeps. Noch schöner – und eben diese Erkenntnis brachte der Abend im SO 36 – ist eine alteingesessene Band, der es auch nach mehr als einer Dekade im Geschäft noch gelingt, ihre Spielfreude zu sublimieren.

Acht Jahre ist es her, dass ich IGNITE zum ersten mal auf den Brettern dieser Welt erleben durfte. In dieser Zeit wuchs die Wertschätzung ihrer „Past Our Means“-EP stetig. Und auch heute ist beständig darauf Verlass, dass die Hits „Embrace“ und „In Defence“ zum besten gegeben werden. So auch an diesem Abend. Im Vordergrund stand natürlich die aktuelle Platte. IGNITE sind noch melodischer geworden, noch eingängiger. „Mädchen-Hardcore“ eben. Aber wie die neuen Stücke ins Ohr gingen, akustisch restlos begeisternd, mit Wucht dahinter, das macht den Amis so schnell keiner nach. Die Reihe der Klassiker riss ohnehin nicht ab, „Veteran“, „Who Sold Out Now“ oder „A Place Called Home“ sprachen auch im Hinblick auf die Publikumsresonanzen eine deutliche Sprache. IGNITE sind eine oft unterschätzte Konstante des Hardcore. Das stellten sie an diesem Abend eindrucksvoll unter Beweis.

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