24.02.2015 – Red City Radio / Pears / Brutal Youth – Dortmund, FZW

red-city-radio-tour-2015Mittlerweile kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass dem deutschen Punk-Rock-Publikum der Nachwuchs fehlt. In der goldenen Genre-Ära Ende der Neunziger füllten Bands von internationalem Format die einschlägigen Clubs der Republik im Handstreich und stürzten die im Durchschnitt in den frühen bis mittleren Zwanzigern befindlichen Zuschauer in rege Verzückung. Die sind zwar mit ihren alten Helden erwachsen geworden und tummeln sich in reduzierter Zahl noch immer auf Konzerten, nur scheint einfach keine beständige Zielgruppe nachgewachsen zu sein.

Nun mag der eher „reifer“ daherkommende Punk von RED CITY RADIO nicht die ideale Grundlage bieten, um über das Ausbleiben neugieriger Kids bei heimischen Konzertereignissen zu sinnieren. Allerdings verdeutlichte auch der Gig der herzlich rauen Mannen aus Oklahoma City, dass sich der demografische Wandel unter den Punk-Rock-Jüngern dauerhaft zum Problem entwickeln dürfte. Nicht, dass es bei ihrem Gastspiel in Dortmund an Stimmung und reger Bewegungsfreude gemangelt hätte, ein Paket dieser Güteklasse wäre früher aber sicher nicht im halbvollen kleinen Saal des FZW vonstatten gegangen. Aber betrachten wir die Angelegenheit doch lieber in positivem Lichte: Denn die Vorbands BRUTAL YOUTH und PEARS hatten großen Unterhaltungswert und gaben dem Punk/Hardcore zudem seine Anmut zurück!

Bei den bereits gegen 8 Uhr startenden BRUTAL YOUTH stach zuerst das schön schnoddrige Äußere der Kanadier bevor. Deren Frontmann humpelte mit Beinschiene und Fettfrisur über die Bühne, ließ sich aber nicht davon abhalten, wüste Purzelbäume zu schlagen und das Mikrofon (meist) angedeutet gegen die Stirn zu donnern. Einmal schien es, als wäre dabei ein Stück Zahn verloren gegangen. In der Aufmachung wirkte die Band, als sei sie frisch aus der Gosse auf die Bretter des Clubs gefegt worden. Doch sollte man auch dieses Buch nicht allein aufgrund seines Einbands beurteilen. Denn musikalisch machte der immens flott und ruppig abgehandelte Hardcore-Punk mächtig Laune und verfügte über deutlich mehr Rotz als auf Platte. In rund 40 Minuten gaben sie gefühlte 150 Songs zum Besten (darunter „53°“ und „Contrarian“), hielten sich nicht groß mit Ansagen auf und waren vom Mainstream so weit entfernt wie ihre Heimat von Dortmund. An Lachern aus dem Pulk – und mehr als nur anerkennendem Applaus – mangelte es bei diesem ersten Höhepunkt wahrlich nicht.

Die folgenden PEARS entfernten sich live ebenfalls ein gutes Stück vom oft melodischen Konservenklang und wirkten schlicht deutlich düsterer. Neben dem finalen „Grimespree“, das in seiner instrumentalen Dehnung in Richtung Post-Metal tendierte, hing dies auch mit der Performance des Sängers zusammen. Der, eher von überschaubarer Statur, mutete mit freiem Oberkörper und der ausgeprägten Gesichts-/Nackenbehaarung wie eine Mischung aus Wolfsjunge und Theon Greyjoy an. Ob er Asthmatiker ist, ließ sich nicht ergründen, nach nahezu jedem Song (gespielt wurde u.a. das starke „Forever Sad“) ging er aber erst mal zu Boden und ruhte zu den Klängen eingespielter Interludes, bis die Stimme wieder rüdes Geschrei erlaubte. Zwischen Punk und (Post-)Hardcore keine überragende, aber doch sehr ansprechende Darbietung der Truppe aus New Orleans.

Was soll man zu den bereits gegen kurz nach 10 Uhr aufspielenden RED CITY RADIO noch groß sagen? Binnen weniger Jahre hat sich der Vierer mit seinem Folk-beeinflussten Punk eine weltweite Fangemeinde erspielt. Dass sie an diesem Abend nur rund 170 Interessierte lockten, störte angesichts der prächtigen Stimmung nicht weiter. Denn einerseits war der Nebenraum des FZW gut gefüllt und andererseits erwies sich die Meute als derart textsicher, dass nahezu jeder der soundtechnisch ebenfalls merklich rauer dargebotenen Songs (u.a. „Two For Flinching“, „Joy Comes With the Morning“, „Spinning in Circles is a Gateway Drug“, „We Are the Sons of Woody Guthrie“, „Two Notes Shy of an Octave“ und „50th & Western“) frenetisch begleitet wurde. Ihre aktuelle 7″ gaben sie samt GREEN DAY-Cover auch zum Besten und boten bereits einen Vorgeschmack aufs kommende Album. Alt jedenfalls musste sich an diesem ausgezeichneten Konzertabend ungeachtet des frühen Ausklangs niemand fühlen. Größeren Zuspruch allerdings hätten die drei Bands ohne jede Frage verdient gehabt.

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