22.09.2006 – Sally’s Sounds 2006 u. a. mit Billy Talent, The Subways, Samiam – Berlin, Columbiahalle/Columbia Fritz

Die Sally’s Sounds Tour ist über die Jahre zur festen Größe deutscher Indoor-Festivals avanciert. Die Ausgabe des Jahres 2006 rief nicht nur ein bemerkenswertes Line Up auf den Plan, sondern einte zudem die Columbiahalle und den kleinen Nachbarn Columbia Fritz. Im großen Saal tummelten sich die namhaften Vertreter um das Zugpferd BILLY TALENT, im kleineren Rahmen hoffnungsvolle Bands wie K.I.Z und DISCO ENSEMBLE. Dass BILLY TALENT die Massen locken würde, war sicher, dass die Losung „Ihr Kinderlein kommet“ lauten würde, absehbar. Mehrheitlich unter Zwanzigjährige drängten sich in die ausverkauften Lokalitäten und ergötzten sich an dem, was in der Musikwelt als Hip bezeichnet wird. Und natürlich an SAMIAM.

Den Anfang machten THE CINEMATICS aus Glasgow, von deren alternativen Rockergüssen aber nur die Schlussphase ihren Weg in meine Gehörgänge fand. Musikalisch Vielversprechend, aber schlicht zu wenig für die Meinungsbildung. Im übergangslosen Wechsel der Lokalitäten war das Columbia Fritz und MILBURN an der Reihe. Das Gespann aus Sheffield servierte temporeichen, mit einer halben Stunde Spielzeit aber definitiv zu kurzen Indie-Punk. Ein Haus weiter machten sich derweil THE SOUNDS für ihr Gastspiel bereit. Die Schweden um Sängerin Maja Ivarsson hinterließen einen bleibenden Eindruck, versprüht ihr Synthesizer unterstützter Indie-Pop doch eine retrospektiv angehauchte Spielfreude ohne abgedroschene Ausflüge in kitschige Klischeewelten. Der Abend hatte seinen ersten Höhepunkt.

Nebenan bekamen im Anschluss DISCO ENSEMBLE aus Helsinki die Klinke in die Hand. Die Finnen, unlängst auch vom bösen Wolf Majorlabel absorbiert, überzeugten innerhalb der überschaubaren Spielzeit auf ganzer Linie. Ihr gern lauter werdender Indie-Rock bediente sich vollmundig aus dem noch immer aktuellen Langspieler „First Aid Kit“. Eine Band, die man im Hinterkopf behalten sollte. In Sachen Popularität und Erfolgsgrad nahezu ein Exot auf der Hauptbühne waren SAMIAM. Den Kaliforniern, die seit mehr als 15 Jahren die Fahne des Indie-Rock in die Höhe recken, blieb der große Durchbruch verwehrt. Im Grunde darf man dankbar dafür sein, Meisterwerke wie „Astray“ oder das kreativ rückblickende neue Album „Whatever’s Got You Down“ wären unter profitorientierter Ägide wohl kaum möglich gewesen.

Musikalisch gab es während des knapp vierzigminütigen Auftritts die volle Bandbreite der letzten vier Platten. „Full On“, „She Found You“, „Sunshine“, „Dull“, „Capsized“, das brillante „Mexico“, dazu vom neuen Album „When We’re Together”, „Get It Right” und „Do You Want to Be Loved”. Eine runde, soundtechnisch überzeugende und sogar von den jungen Semestern angemessen gewürdigte Leistung, die im Grunde aber nicht mehr war als ein stimmungsvolles Warm Up für die Tour im November. An gleicher Stelle folgten im Anschluss – die selbstverständlich britischen – THE SUBWAYS. Archetypischer Retro-Rock zwischen Garage und Charts, nicht zwingend originell, dafür von mitreißender Live-Qualität. Drummer Josh wirbelte seine Mähne im Stile von Animal aus der Muppetshow und stahl seinen beiden Mitstreitern glatt die Aufmerksamkeit.

Das Teenager-Schaulaufen verwandelte sich mit Auftauchen von BILLY TALENT in ein Meer übertriebener Euphorie. Gilt das selbstbetitelte Debüt der Kanadier als Meilenstein des modernen Punk-Rock, spaltet der Nachfolger „II“ das Publikum. Allerdings nicht das an jenem Abend in der Columbiahalle. Der Mob tobte und klebte Sänger Benjamin bei jedem Kreischen förmlich an den Lippen. Die Akustik überzeugte mehr als vor drei Monaten noch im Huxley’s, das Problem blieb der Abrieb ihrer Brillanz. BILLY TALENT mögen alles mit sich bringen, was die Jugend aus den Socken fegt. Bei den älteren Zuschauern stieß die energische Performance jedoch auf durchwachsene Gegenliebe. Die Massen schienen zufrieden, mir stieß abermals die Übervorteilung von „Nothing to Loose“ zugunsten von „Voices of Violence“ auf. Insgesamt ein abwechslungsreicher, musikalisch gelungener Abend, bei dem schlicht für jeden Geschmack was dabei war. Nicht nur für die Kleinen.

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