11.11.2006 – Samiam / The Draft / Anyway – Berlin, Kato

Auf eine solche Tourkombination hat der fleißige Clubgänger lange warten müssen: SAMIAM, die Helden des Indie-Punk, treffen auf THE DRAFT, den mit Spannung erwarteten Nachfolger von HOT WATER MUSIC. Schwer fällt, bei solch klangvollen Namen nicht in Superlativen zu schwelgen. Der Anfang aber gehörte anderen, namentlich ANYWAY aus Prag. Der melodische Rock mit Punk-Anleihen, angereichert durch Mundharmonikaklänge, wusste zu gefallen und entlockte dem Publikum standesgemäße Ovationen. Einen wirklich bleibenden Eindruck hinterließen die Tschechen nicht. Aber bei solchen Folgebands war das wohl auch nicht anders zu erwarten.

Bei THE DRAFT gerieten die geschätzten 350 Zuschauer erstmals in rege Verzückung. Dass die Band kaum anders klingt als HOT WATER MUSIC, stört wenig und ist bei drei Vierteln deckungsgleicher Mitglieder auch wirklich keine Überraschung. Songs der Vorgängerkapelle, so wurde bereits im Vorfeld angekündigt, gab es nicht um die Ohren, dafür fast die gesamte Palette des DRAFT’schen Debütalbums „In a Million Pieces“. Getragen von mehrstimmigem Gesangseinsatz und überschäumender Spielfreude verlieh der Vierer aus Florida ihrem Mix aus Punk-Rock und Post-Hardcore jene treibende Eingängigkeit, die sie auf Konserve stellenweise vermissen lassen. „New Eyes Open“ und „Wired“, die Smasher der Platte, waren auch im Zusammenspiel vor Publikum echte Höhepunkte. Sänger Chris Wollard, der sich zu Zeiten von HOT WATER MUSIC schon gern unter Alkoholeinfluss ans Mikro stellte, schien bereits vor Beginn der Show kaum noch geradeaus schauen zu können, legte optischer Mängelerscheinungen zum Trotz aber eine bemerkenswerte Leistung vor.

So sehr THE DRAFT auch gefielen, bei den ersten Klängen des standesgemäßen Openers „Sunshine“ war klar, warum SAMIAM zu den besten wie beliebtesten Bands des Independent-Sektors zählen. Die Besuche im Berliner Kato sind fast Tradition, doch was Stimmgewalt Jason Beebout und seine Mitstreiter hier aus den Boxen zauberten, gehört sicherlich zum besten, was von den Kaliforniern auf deutschen Bühnen je zu hören war. Zwar sorgte zu vorgerückter Stunde auch hier der Alkohol für Aussetzer in der Motorik, doch begeisterte das Set über geschlagene neunzig Minuten restlos.

Seit jeher liegt der Altersdurchschnitt auf SAMIAM-Konzerten deutlich jenseits der 20 Lenze. Doch gerade an diesem Abend beschlich einen das unweigerliche Gefühl, dass sich fast ausnahmslos diejenigen vor Ort eingefunden hatten, die der Band seit Jahren die Treue halten. Und nur so ist das frenetische Mitsingen der meisten, vornehmlich älteren Songs zu erklären. Mit mehr Beiträgen als zwingend nötig bedachten SAMIAM ihren nicht gänzlich mit Wohlwollen aufgenommenen siebten Langspieler „Whatever’s Got You Down“ ohnehin nicht. Die Atmosphäre sorgte für Gänsehaut, Hits des Kalibers „Bad Day“, „Mexico“, „Wisconsin“ oder „She Found You“ bürgten für grandiose Stimmung. Wiederholt ließ sich das Quintett zurück an die Instrumente jubeln, ehe gegen ein Uhr in der Nacht endgültig der Vorhang fiel. Diesem Konzert wird man sich noch lange erinnern. Mit einem Wort: phänomenal.

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