02.05. – 03.05.2014 – Groezrock 2014 u. a. mit The Offspring, NOFX, The Hives – Belgien Meerhout

groezrock2014_2Wenn es um die Belange von Punk und Hardcore geht, führt am Groezrock kein Weg vorbei. Das Outdoor-Festival in der belgischen Provinz ist ein Klassiker und in der großzügigen Bündelung von internationalen Genregrößen weltweit einzigartig. Das sagen zumindest einige der auftretenden Bands. Vor allem die Vertreter aus Amerika müssen es wissen. Denn die haben die Warped Tour. Über deren kommerzielle Aufmachung verfügt das Groezrock jedoch nicht. Es ist gemütlicher, schnörkelloser und auch ein wenig schlunziger. So liebt man das stets gut besuchte und doch nie beengend wirkende Schaulaufen der Alteingesessenen und der vielversprechenden Newcomer.

80 Bands in zwei Tagen sind wahrlich kein Pappenstiel – und gemessen an der Güte der partizipierenden Combos bisweilen eine echte Herausforderung. Denn seit die kleine MacBeth-Stage offiziell zur vierten Bühne erkoren wurde, ist ein ausgeklügeltes Zeitmanagement zwischen Jupiler, Jägermeister und Brodje Mexicano wichtiger denn je. Nicht zuletzt, weil die sich gegenüberliegenden Impericon- und Ethnies-Stages weitgehend zeitgleich zur munteren Kollektivbeschallung luden. Da mussten einige grundlegende Entscheidungen getroffen werden. BAYSIDE oder RED CITY RADIO? TERROR oder IRON CHIC? MADBALL oder LA DISPUTE? Aber sei es drum, selbst bei munterem Bühnen-Hopping kann man beim Groezrock eben unmöglich alles haben.

Auf der Hauptbühne war an beiden Abenden jedenfalls Klassiker-Stimmung angesagt. Denn anlässlich des jeweils 20. Jubiläums wurden zwei moderne Meilensteine des Punk-Rock in vollem Umfang dargeboten. Die Rede ist von „Punk in Drublic“ und „Smash“, bzw. deren Urhebern NOFX und THE OFFSPRING. Während die Mannen um Fat Mike am Freitag aber die Stücke ihres legendären Albums in ein buntes Set (u.a. „Seeing Double At the Triple Rock“, „America“, „Kill All the White Man“) integrierten und Mike bei „Quart in Session“ zum Duett mit DESCENDENTS-Frontmann Milo ausholte, spulten OFFSPRING das „Smash“-Refugium am Folgetag eher stumpf der Reihe nach ab.

astpai@groezrock-2014„Self Esteem“ hoben Sie sich zwar fürs große Finale auf, mit ihrer frühen Ankündigung, sie seien doch 100 Mal besser als OFFSPRING, behielten NOFX aber schlussendlich souverän recht. Und mit ihrem Mini-Banner, das dem Trend nach immer wuchtigeren Bühnenfahnen widerstrebte, hatten Mike & Co. ohnehin alle Sympathien auf ihrer Seite. Aber spulen wir doch auf Anfang, respektive den Freitag-Vormittag, an dem die Österreicher von ASTPAI bei klarem Sound auf der Hauptbühne eröffneten und deutlich Lust auf mehr machten. Bevor ihnen die Schweden-Punks von ATLAS LOSING GRIP folgten (gespielt wurden u.a. „Logic“, „Bitter Blood“) und dem wachsenden Pulk ordentlich einheizten, boten THE TRAMPS auf der MacBeth-Stage zünftigen Punk ’n Roll und DEVIL IN ME launigen Hardcore im Impericon-Zelt.

Derbe Gangshouts setzte es mit WISDOM IN CHAINS, deren ballernder Westküsten-Hardcore mit Hits wie „Dragging Me Down“ und „When We Were Young“ auf ausreichend Publikumsresonanz stieß. Ihnen folgte auf der Impericon-Bühne Kontrastprogramm in Gestalt von BAYSIDE, die die Reize ihres Indie-Rocks mit Nummern des Kalibers „Devotion & Desire“ und „Already Gone“ souverän ausspielten. Auf der Hauptbühne sorgten die Pop-Punker von GAMEFACE (u.a. „My Star“, „Regular Size“) für Stimmung, ohne jedoch nachhallende Akzente setzen zu können. Gleiches galt anschließend auch für BODYJAR. Die Ende der Neunziger auch über Burning Heart veröffentlichten Australier sind abseits klassischer Hits wie „Time to Grow Up“ eben doch nur eine Melocore-Kapelle unter vielen.

Mehr Eindruck hinterließen da schon KIDS INSANE. Die Hardcore-Punks aus Israel heizten dem Publikum auf der MacBeth-Stage mitreißend ein und servierten mit „Frustrated“ oder „Fix It“ ruppig-melodische Brecher in Serie. THE MENZINGERS erwischten auf der Hauptbühne einen eher durchwachsenen Tag. Der Sound war klasse, nur fehlte es ihrem Set (u.a. „Deep Sleep“) ein wenig an Durchschlagskraft. Dem gegenüber standen an gleicher Stelle LAWRENCE ARMS, die einmal mehr konstant mitrissen und Hits wie „Great Lakes/Great Escapes“ oder „Like a Record Player“ nicht aussparten. Als Highlight im Ethnies-Zelt erwies sich erwartungsgemäß I AM THE AVALANCHE, deren hochmelodischen Punk („The Shape I’m In“, „Amsterdam“, „177“) das Publikum in pure Bewegungsfreude übersetzte.

Nicht minder positiv blieben IRON CHIC in Erinnerung, die ihren dezenten und obendrein dezent ruppigen Punk mit „Wolf Dix Rd.“ oder „(Castle) Numbskull“ angenehm Hit-lastig untermauerten. Nach ihnen nahmen die poetischen Krachschläger von LA DISPUTE die zweitkleinste Bühne in Beschlag und präsentierten – wie übrigens auch TOUCHÈ AMORÈ („Parting the Sea Between Brightness and Me“, „Pathfinder“, „Suckerfish“) am Folgetag – inspirierten Post-Hardcore auf der Höhe der Zeit. In Sachen Härte hatten TOUCHÈ AMORÈ zwar die Nase vorn, weniger beeindruckend fiel die Performance von LA DISPUTE (u.a. „Hudson Mi 1956“, „Said the King to the River“, „For Mayor in Splitsville“) darüber jedoch keineswegs aus.

Die Hauptbühne strebte mit den mal wieder munter zwischen Melodie und Brachialität tendierenden BOYSETSFIRE („Release the Dogs“, „My Life in the Knife Trade“) sowie den gewohnt ansprechenden Rock-bewährten Punks von ALKALINE TRIO („I Wanna Be a Warhol“, „Time to Waste“) allmählich dem Höhepunkt entgegen. Der fand im Impericon-Zelt mit IGNITE erwartungsgemäß seinen vorzeitigen Überflug. Der Sound war insgesamt nicht berauschend, der Auftritt von Frontmann Zoli und Gefährten hingegen schon. Nicht zuletzt, weil die kalifornische (Melo-)Hardcore-Institution ein neues Album (das erste seit acht langen Jahren!) ankündigte und mit „Nothing Can Stop Me“ auch gleich einen Beitrag aus dessen Fundus präsentierte. Den Rest zementierten Klassiker wie „Veteran“ und „Bleeding“, so dass konstante Publikumschöre zur Stimmungssteigerung beitrugen.

Alt, aber keineswegs leise trugen auf der Hauptbühne auch die DESCENDENTS zur ekstatischen Dauerbeschallung bei. Mit Hits wie „I’m the One“ oder „Coolidge“ konnte da ohnehin nichts schiefgehen. Der Status der US-Ur-Punks ließ sich an diesem Wochenende auch daran ermessen, wie viele Kapuzenjacken mit Sänger Milos Comic-Konterfei über die Tische im Merch-Zelt gingen. Auf ähnlich begeisterndem Niveau bewegten sich als Headliner der Ethnies-Stage H2O, deren melodischer Hardcore haufenweise gereckte Fäuste und mitgeschmetterte Refrains provozierte. Bei Klassikern des Schlages „Guilty by Association“, bei dem Freddy Madball vokale Unterstützung leistete, „One Life, One Chance“, „Family“ oder dem von Matt Skiba begleiteten „What Happened“ gab es sowieso kein Halten mehr.

quicksand@groezrock-2014Ein wenig Berieslung durch Akustik-Klampfer EVERLAST gab es vorab auf den MacBeth-Brettern auch noch zu erleben. Mit der kühlen Abendluft schien der Solokünstler ein wenig zu hadern, mit seiner Performance war der Pulk vor der kleinen Bühne jedoch rundum zufrieden. Darauf wurde es bereits Zeit für QUICKSAND – und der Alternative-Klassiker um Walter Schreifels lieferte eine sympathisch unspektakuläre Performance mit erwartungsgemäß starkem Set („Omission“, „Unfulfilled“, „Thorn in My Side“). Die Grenzen der Kräfte wurden für zahlreiche Festivalbesucher aber erst mit erwähnten NOFX erreicht, die den Freitag nach 1 Uhr Nachts mit ihrer wiederum enorm spaßigen Performance beschlossen.

Der für viele verkaterte zweite Tag ging mit den Fat Wreck-Repräsentanten von GET DEAD (u.a. „Burn Out“) gleich ansprechend los. Geboten wurde gegenwärtig schwer angesagter Punk mit rauer Note. Da weiß man, was man hat, wenn die gleiche Rechnung bei den folgenden ELWAY auch weniger packend aufging. Das beschauliche Warmlaufen zur Mittagszeit hatte neben Konterbier und ansprechender Nebenbeibeschallung – auf der MacBeth-Bühne eröffnend durch den ansprechenden Melo-Core der Niederländer von THE IGNORED – auch das erste Metal-Hardcore-Gewitter zu bieten. Doch THE CHARM THE FURY aus Amsterdam boten abseits des weiblichen Frontgekeifes (mit Abstechern Richtung Klargesang) wenig bleibende Eindrücke.

Überzeugender blieben da schon die Landsleute von PRICEDUIFKES, die im Ethnies-Zelt stimmigen Punk-Rock mit klassischer Epitaph-Kante boten. Ebenfalls aus den Niederlanden reisten MOMENTS an, die im MacBeth-Sektor für knüppeldicken Hardcore und verdienten Applaus sorgten. Ein Wiedersehen gab es auch mit der Punk-Frauenkapelle FABULOUS DISASTER, die in Ur-Besetzung nahezu ihr gesamtes Hit-Album „Put Out or Get Out“ darbot und entsprechend sicher sein konnte, dass die allmählich wachsende Zuschauerschaft dies gebührend zu würdigen wusste. Ein überraschend starkes Comeback.

Mit THE RIVER JUMPERS gab es wiederum bei MacBeth ansprechenden Punk-Rock zu hören, während im Impericon-Zelt APOLOGIES, I HAVE NONE Indie-Rock präsentierten, der aufgrund der tendenziellen stimmlichen Schieflage des Sängers eher in den kleinen Clubs funktioniert. Aber die Londoner wissen zu gefallen und mausern sich nicht zu Unrecht immer mehr zu einer festen Instanz. Die Irokesen- und Nietenträger-Fraktion wurde auf der Main Stage von THE CASUALTIES in Verzückung versetzt. Die aufgebrezelten Polit-Punks, die ihrer Message mit Songs der Marke „Unknown Soldier“ oder „We Are All We Have“ Ausdruck verliehen, konnten akustisch jedoch nur bedingt überzeugen. Den Pulk störte es herzlich wenig, weshalb die New Yorker auch entsprechend zünftig abgefeiert wurden.

edward-in-venice@groezrock-2014Nach ihnen kam der fröhliche Brit-Punk-Klassiker SNUFF zum Einsatz, der mit bewährten Gassenhauern („Whatever Happened to the Likely Lads“, „Nick Northern“) und humorigen Ansagen für prächtige Stimmung sorgte. Definitiv ein Wiedersehen mit Schmiss. Vor ihnen allerdings erschütterten THE SETUP die Ethnies-Bretter. Mit zünftiger Aggro-Kante und klasse Nummern wie „Young and Angry“ oder „Out of Sync“ verleiteten die Belgier zahlreiche Zuschauer zum Bühnentauchen und sorgten für nachhallenden Alarmfaktor. Für ein gesteigertes Aha-Erlebnis bürgten auch die Newcomer von EDWARD IN VENICE. Der Hardcore-Punk der italienischen Jungspunde wies einen deutlichen A WILHELM SCREAM-Einschlag auf, versprühte durch mehrstimmige Songs und akzentreiche Ansagen aber ausreichend Charme. Ein wenig unbedarft ging der Fünfer zweifelsfrei zu Werke, sehr unterhaltsam blieb ihre Präsentation aber durchweg.

Einen (zumindest für eingefleischte Fans) unbedingten Höhepunkt bildete der klassische DESCENDENTS-Ableger ALL, bei dem der bärtige Chad Price mal wieder das Mikro ergriff. Das Set bot neben immer gern vernommenen Hymnen wie „Breaking Up“, „She’s My Ex“ oder „Original Me“ auch einige nicht allzu häufig live gehörte Überraschungen (u.a. „Stalker“). Aufgrund des Publikumsschwundes offenkundig nicht Jedermanns Sache und dennoch ein kleines Freudenfest. Ihnen folgten im großen Zelt SCREECHING WEASEL, ein weiteres Fat Wreck-Urgestein, das laut und vor allem schnell melodischen Punk-Rock („Cool Kids“. „Hey Suburbia“) vortrug und die Massen in Bewegung hielt. Nach ihnen war es an den beliebten Pop-Punkern von NEW FOUND GLORY, den Kelch der Massenbespaßung emporzuheben. Mit wuchtigem sowie wenig weichgespültem Sound und Hits des Kalibers „Anthem of the Unwanted“ oder „My Friends Over You“ gelang das souverän.

Gewaltig ging es unterdessen im Ethnies-Gehege zu, wo die heftig umjubelten und restlos begeisternden Modern-Krachschläger MODERN LIFE IS WAR („Chasing My Tail“, „Brothers in Arms Forever“, „Breaking the Cycle“) von den absoluten Klassikern CRO-MAGS und JUDGE eingerahmt wurden. Alle drei spornten die Menge zu Stagedive-Akrobatik und Kollektiv-Shouts an. Die Hardcore-Wegbereiter zeigten dabei durchweg Spielfreude und Lust am Schmettern beliebter Rinnstein-Hymnen. Bei den CRO-MAGS waren es solche wie „Street Justice“ oder „Signs of the Times“, bei JUDGE z.B. „Just Like You“ oder „New York Crew“. Dabei schmeckten nicht wenige ungeachtet des weitgehend bewölkten Wetters den Staub der aufgewühlten Manegen auf der Zunge.

festival@groezrock-2014Im Impericon-Sektor wurde an diesem Samstag weitgehend Metal-Hardcore serviert, weshalb die dort aufgespielten Bands in diesem Überflug auch vernachlässigt werden. Stellvertretend soll aber auf CALIBAN verwiesen werden, die ihr neues Album „Ghost Empire“ vorstellten und ein Geisterbahn-Bühnenbild mit Nebelwerfern auffuhren. Letzteres hätte es angesichts der zunehmend dichten Staubschwaden aber grundlegend gar nicht gebraucht. Dick auf trugen die Hattinger auch beim Sound, wobei die Chöre fast nach Beschallung aus der Konserve klangen. Stimmung stelle sich darüber insgesamt nur bedingt ein.

Vor den eingangs erwähnten THE OFFSPRING, die nach der „Smash“-Präsentation noch bewährte Nummern wie „All I Want“ oder „The Kids Aren’t Allright“ nachlegten, sorgten THE HIVES auf der Hauptbühne für Selbstdarstellung im Dienste des Rock ’n Roll. Der nimmermüde Frontmann Pelle Almqvist schmetterte bewegungsanimierende Nonsens-Ansagen und dirigierte das Publikum nach Belieben, was bei Hits wie „Die, All Right“ oder „Hate to Say I Told You So“ für rege Ausgelassenheit sorgte. Schade nur, dass die Schweden auf Beiträge aus der Zeit vor ihrem Durchbruch „Veni, Vidi, Vicious“ verzichteten.

Was bleibt also übrig vom Groezrock 2014?  Eine schiere Flut guter bis großartiger Bands, ein buntes Programm zwischen den Stühlen von Punk, Hardcore und Indie sowie Festivalverpflegung der gehobenen Art. Allerdings musste man für die schon an der gut besuchten Veganer-Meile anstehen. In Sachen Organisation und Atmosphäre hielt das Festival den Standard der letzten Jahre. Will heißen es blieb überschaubar, nicht überkommerzialisiert und allen voran friedlich. Anbei sorgten die üblichen Verkleidungskünstler (Captain America mit eigens gebasteltem Schild war ein unbestrittenes Highlight) und ein frisch vermähltes Paar auf Hochzeitsreise für das gewisse Etwas. Unter Belgiens Himmel war also nahezu alles wie gewohnt. Und das ist auch verdammt gut so!

Dank für die Fotos gebührt Ivo H.!

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